Erik Goengrich

Räuber und Gendarm - Vornamen 2015 (2016)

Räuber und Gendarm – Vornamen 2015 ist als Kunst am Bau-Projekt Teil der Maßnahmen zur Erweiterung und Modernisierung der Karlshorster Grundschule in Berlin-Lichtenberg. In einem nicht offenen Kunstwettbewerb wurde das Projekt aus fünf eingereichten Entwürfen zur Umsetzung ausgewählt.
Die Vornamen aller Schülerinnen und Schüler wurden mit roter Farbe in gleicher Größe und Typografie auf die Fassade aufgebracht. Dafür wählten 437 Schüler*innen auf einem Modell der Schule den Ort aus, an dem sie ihren Vornamen sehen wollten.
Eine Publikation bildet den zweiten Teil des Projektes. Alle Schüler*innen der Karlshorster Grundschule des Jahrgangs 2015 erhielten ein Exemplar dieser Publikation.

Karin Billanitsch im Gespräch mit Erik Göngrich - juni2017
Sie haben als Künstler an der Grundschule Karlshorst im Berliner Bezirk Lichtenberg eine Fassadenarbeit gestaltet. Die Namen der Kinder eines Jahrgangs sind an der Fassade angebracht. Was drückt diese Kunst am Bau aus?
Göngrich: Ich konnte 437 Kinder eines Jahrgangs aus 2015 zusammenbringen, deren Vornamen sich auf der Fassade finden. Diese Namen zeigen uns viel über die Herkunft und das soziale und gesellschaftliche Umfeld. Es ist eine homogene Schülerstruktur der Mittelklasse, die diese Schule besucht, ganz wenige Namen weisen in eine andere Kultur. Ich sehe in der Arbeit auch einen Identifikationsfaktor mit der eigenen Schule. Ich weiß, dass Schüler ihre Eltern dorthin geführt haben, um ihre Namen zu zeigen. Das hat sehr gut funktioniert, glaube ich.

Ist die Arbeit abgeschlossen?
Die Fassadengestaltung stellt für die Zukunft Fragen: Wenn die alte Farbe mal in 15 Jahren abblättert und erneuert werden müsste, kann man entscheiden, ob das Kunstwerk erneuert, wiederholt oder erweitert wird. Zum Beispiel wäre denkbar, die Schüler des Jahrgangs 2015 und 2035 in verschiedenen Farben anzubringen. Noch stellt sich die Frage nicht. Was ich nicht weiß, ist, ob die unterste Ebene vielleicht mit einem Grafitti belegt ist, jemand seitdem seinen Namen mit einer Spraydose dazugefügt hat. Das müsste man sich mal anschauen.

Warum macht Kunst am Bau speziell an einer Schule für Sie besonders Sinn?
Ich denke hier nur mal an meine eigene Schulzeit zurück, meine Herkunft, meine Umgebung: Was waren die Platzhalter an Gebäuden oder Skulpturen oder Bildern oder Reliefs, die einen mit einem Ort und dessen Geschichte verbunden haben? Manchmal waren es auch ein Baum oder einfach eine Türklinke an der Schule. Das führt zu der spannenden Frage für mich: Durch was wird unsere Gesellschaft gegliedert und am Laufen gehalten? Durch was entstehen Entscheidungen? Wie beziehen wir uns auf unsere Geschichte? Das steckt hier alles mit drin.

Es geht also um Gebäude im Leben eines Menschen, Orte, wo Einschneidendes passiert, Wegmarken gesetzt werden?
Ja, zum Beispiel auch Krankenhäuser. Es geht bei Kunst am Bau darum, sich an den sozialen und örtlichen Gegebenheiten vor Ort zu orientieren. Fehlt es, dass sie mit den Menschen verbunden ist, dann wirkt die Kunst oft aufgesetzt. Wenn man an Kunst am Bau denkt, fallen einem schnell Versicherungen oder Bürogebäude ein. Das ist aber oft Kunst, die kaum öffentlich zugänglich ist. Oder nehmen Sie den Bundesnachrichtendienst hier in Berlin: Die kann Werke man von außen sehen, aber nicht als Kunstwerk erleben.

Wie wichtig sind partizipative Elemente für Sie bei der künstlerischen Arbeit?
Das ist ja relativ neu. Es wird zwar oft in Wettbewerben gewünscht, aber das wirklich umzusetzen, ist nicht einfach. Es wird nicht einfach so hingestellt nach dem Willen des Bauherren. Bei der Schule hatte ich Glück, dass die Kunstlehrerin extrem offen war und die Kinder super mitgemacht haben. Zur Zeit biete ich künstlerische Führungen auf dem IGA-Gelände zum Thema „Subbotnik“ an. Der auf Bau- und Trümmerschutt begründete Kienberg wurde ja in der DDR im Rahmen von „Subbotnik“-Aktionen bepflanzt. Das hat ja auch mit der Frage der Teilhabe zu tun. In diesem Fall sieht man, wie sich der Grünraum in Marzahn-Hellersdorf durch die Aktionen der Bewohnerinnen und Bewohner entwickelt hat.

„Räuber und Gendarm – Vornamen 2015“ – wie die Arbeit heißt – ist ein Kunst-am-Bau-Projekt mit einem Volumen von etwas mehr als 20.000 Euro. Wie beurteilen Sie als Künstler, der in Berlin lebt und arbeitet, die Förderlandschaft vor Ort?
Ich denke man könnte die Förderung bei Kunst am Bau durchaus vergrößern. Mancherorts gibt es auch eine Haltung, Gelder bewusst nicht abzurufen. Lichtenberg ist ein absoluter Vorzeigebezirk, der versucht, auch in kleinem Maßstab Gelder einzusetzen und nicht so bekannte Künstler zum Zuge kommen zu lassen. Bei größeren Projekten über 200.000 Euro ist das Verfahren aufwendiger und ist es ein großer Aufwand überhaupt in die erste Runde zu kommen und sich in der zweiten Runde zu behaupten. Man arbeitet zum Teil fast Jahr daran und bekommt, wenn es nicht klappt, 1.500 Euro in der zweiten Runde. Viele Künstler können sich das gar nicht leisten.

In die Zukunft gedacht könnte man mit den Geldern andere Formen entwickeln, wie man Kunst am Bau für ein bestimmtes Gebiet nutzt, insbesondere bei großen Neubauprojekten. Ich möchte noch einmal das Beispiel Bundesnachrichtendienst bringen: Da wurden die Kunstwerke einfach im Innenhof abgeladen. Es gibt ja noch andere Wege, mit so etwas umzugehen. Da sehe ich ein Entwicklungsgebiet. Beispiel München oder auch Wien, wo man für Kunst im öffentlichen Raum Kuratoren hat, die sich um ein bestimmtes Gebiet kümmern. Das was der BBK (Berufsverband Bildender Künstler) mit der Kommission, in der ich ja auch bin, ist genau der Versuch, dass kleinere Wettbewerbe erfolgreich durchgeführt werden und eben auch Künstler einzuladen, die aufgrund ihrer Arbeit passen und so auch einmal zum Zuge kommen.

Machen wir einen Exkurs weg von Karlshorst zu aktuellen Projekten, an denen Sie arbeiten. An welchen Wettbewerben nehmen Sie teil?
Ich mache gerade den Rosa-Luxemburg-Wettbewerb mit, der mich im Kopf seit dem letzten Herbst belegt und nun in die zweite Phase gegangen ist. Das beschäftigt mich enorm: Was ist Kunst, was ist Repräsentation der Institution – all diese Fragen sind sehr spannend. Hier gelangt man an Grenzen – oder auch nicht, man erweitert ja auch sein eigenes Gebiet.

Dann gibt es noch anderes, die demnächst kommen werden. Gerade läuft die erste Abgabe für das Humboldt Forum – Berliner Schloss. Man muss jetzt für sich klären, ob man mitmacht. Die ersten beiden Wettbewerbe laufen gerade, es wird weitere geben. Das ist eine ganz andere Nummer, es ist ja ein Repräsentationsgebäude. Hier gibt es viele Dinge zu klären, bevor man überhaupt auf Ideen kommt. Solche Wettbewerbe sind komplett offen, man kann alles machen. Man kann das Projekt dekorativ angehen – dekorativ meine ich hier positiv. Für mich ist dekorativ manchmal besser als zu viel Kritik, es ist offener. Es kann auch in Kritik münden, etwa indem das Dekorative überhöht wird und im Glückfall ein anderer Blick auf die Dinge entsteht.

Alles um das Schloss herum mache ich seit mehr als zehn Jahren mit, weil ich finde, es ist wichtig, da mitzumachen, Zeichen zu setzen, dass man eine Haltung dazu hat. Ob man dann zum Zuge kommt – das kann man nur hoffen.

Was muss gute Kunst im öffentlichen Raum leisten können?
Schwierige Frage. Gute Kunst im öffentlichen Raum muss für mich persönlich so sein, dass sie Diskussionen auslöst. Und dass sie einen historischen Bezug hat, der so aufgearbeitet wird, dass er für uns auch eine Bedeutung hat, dass es sich lohnt, sich damit auseinanderzusetzen. Gute Kunst kann aber auch heutzutage eine Auseinandersetzung mit einem Ort und dessen Nutzern sein, und etwas reflektieren, was sonst so nicht zugänglich ist. So verstehe ich etwa die Namen an der Schule.